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Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der ehemaligen Krolloper

01.09.2023

Am 1. September 2023 gedachte die polnische Botschaft in Berlin gemeinsam mit dem polnischen Verteidigungsattaché des 84. Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs. Im Mittelpunkt des Gedenkens stand eine Zeremonie auf dem Britischen Militärfriedhof in Berlin, wo polnische Luftstreitkräfte begraben liegen.

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1.      Der Britische Soldatenfriedhof im Bezirk Charlottenburg

Am 1.09.2023 um 12.00 Uhr veranstaltete die polnische Botschaft in Berlin gemeinsam mit dem polnischen Verteidigungsattaché eine Zeremonie auf dem Britischen Soldatenfriedhof in Berlin-Charlottenburg, wo neben Commonwealth-Soldaten auch polnische Soldaten begraben liegen - fünf polnische Piloten der 300. Division „Ziemia Mazowiecka“.

Der polnische Botschafter Dariusz Pawłos hielt eine Rede und legte anschließend gemeinsam mit dem neuen Verteidigungsattaché Oberst i.G. Miroslaw Klimczak einen Kranz am Ehrenmal für die gefallenen Soldaten nieder. Kränze und Blumen wurden auch von Vertreter:innen der Bundesregierung, des Berliner Bürgermeisters und der Bundestagsfraktionen niedergelegt. Darüber hinaus legten Vertreter:innen des diplomatischen und militärischen Korps sowie Vertreter:innen polnischer Organisationen Kränze nieder.

Die Feierlichkeiten fanden in Begleitung von Soldat:innen der polnischen Armee und der deutschen Bundeswehr statt.

 

 

2.      Gedenkveranstaltung für die Opfer des Krieges und der deutschen Besatzung am Standort der ehemaligen Krolloper

Die Zeremonie in der Nähe der ehemaligen Krolloper im Zentrum Berlins wurde auf Initiative der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt organisiert.

Begleitet wurde der Festakt von Lesungen von Gedichten von Anna Świrszczyńska in polnischer und deutscher Sprache sowie von Musik, die von polnischen Musikern der Deutschen Oper Berlin, die als Polnisches Streichquartett auftraten, vorgetragen wurde. Das Quartett spielte Werke von Ignacy Waghalter, einem in Warschau, in einer polnisch-jüdischen Familie, geborenen Komponisten und Dirigenten, welcher in Berlin studierte, bevor er 1912 Dirigent am neu gegründeten Deutschen Opernhaus in Berlin wurde.

Die Reden hielten der Botschafter der Republik Polen Dariusz Pawłos, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die deutsche Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth, der Direktor der Stiftung für die ermordeten Juden Europas Uwe Neumärker sowie der Direktor des Deutschen Polen-Instituts Prof. Peter Loew. 

Die Ansprache von Botschafter Dariusz Pawłoś:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Baerbock,

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Roth,

Sehr geehrte Frau Professorin Süssmuth,

Sehr geehrte Herren Direktoren Neumärker und Loew nebst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung Denkmal und des Deutschen Polen-Instituts,

Liebe Vertreterinnen und Vertreter Polonia in Deutschland,

Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie hier so zahlreich versammelt sind.

Heute vor 84 Jahren begann mit dem Überfall des Deutschen Reiches auf Polen der Zweite Weltkrieg, gefolgt von sechs Jahren brutaler Besatzung Polens und Europas, deren Ziel u.a. die Ausrottung der polnischen Nation war. Wir treffen uns symbolisch hier, wo alles angefangen hat, auf dem Standort der früheren Kroll-Oper. Hier trat der Deutsche Reichstag zusammen, um am 1. September 1939 die Rede des deutschen Führers Adolf Hitler zu hören, in der er den Überfall auf Polen verkündete.

Und nicht Hitler, „Das haben Menschen den Menschen angetan“ – diese Worte der polnischen Schriftstellerin Zofia Nałkowska aus dem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Erzählungsband Medaliony (Medaillons), sind letztlich ein Ruf nach Gerechtigkeit. Sie sind zugleich ein Ruf danach, das Böse zu verurteilen, das ein ganzes Volk und die moralische Ordnung zugrunde gerichtet hat – und das keineswegs ein anonymes Böses war. Denn es waren ja die Anhänger Hitlers und die Ausführenden seiner unmenschlichen Ideologie, die Millionen von individuellen Dramen polnischer Familien verursacht haben. Die einzige Schuld der Opfer war es, dass sie als Polen oder Juden und nicht als Deutsche geboren worden waren, dass sie Mitgefühl oder Angst gezeigt hatten, also Gefühle, die von den Nazis verachtet wurden. Das Schicksal von „Untermenschen“ besaß für die deutschen Nazis keinerlei Wert – nur indem sie ihnen das Leben nahmen und sie verachteten, konnten sie bei ihren Anführern und Kameraden im Ansehen steigen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor diesem Hintergrund sollte die Summe von 1,4 Billionen Euro, von der im „Bericht über die infolge der deutschen Aggression und Besatzung während des Zweiten Weltkriegs 1939–1945 von Polen erlittenen Verluste“ die Rede ist, nichts Schockierendes haben, spiegelt sie doch die Skala der vom nationalsozialistischen Deutschland verursachten Tragödie wider. Sie stellt einen Appell des Volkes der Opfer an das Volk der Täter dar. Sie soll zu denjenigen sprechen, die 84 Jahre nach dem Kriegsausbruch den außergewöhnlich bestialischen Charakter der deutschen Besatzung Polens und die antipolnische Natur des deutschen Nationalsozialismus nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.

Der Bericht, an dem eine Gruppe von 30 Fachleuten und 10 Rezensierenden fünf Jahre lang gearbeitet hatte, wurde genau vor einem Jahr auf dem Königsschloss in Warschau vorgestellt. Premierminister Mateusz Morawiecki stellte damals fest:

Die von Polen erlittenen Verluste, der Verlust von mehr als 5 Millionen Menschen, sind für uns eine unvorstellbare Zahl. Gegenüber den Familien, den nächsten Angehörigen, wird diesen Verlust niemand wiedergutmachen können. Es handelt sich also um ein existentielles, ja metaphysisches Problem. Was bleibt, ist allerdings die Pflicht, all die erlittenen Verluste zu beziffern, denn ohne Wahrheit, ohne Wiedergutmachung gibt es keine normalen zwischenmenschlichen Beziehungen – und schon gar keine zwischen Staaten oder Nationen.Vizeaußenminister Arkadiusz Mularczyk hob hervor: „Das Bewusstsein von der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, was die von Polen erlittenen Schäden angeht, ist auf der Welt verschwindend gering. Man muss die heutige Welt, vor allem aber die deutsche Gesellschaft, davon überzeugen, dass diese Angelegenheit zwischen unseren Ländern noch nicht geregelt ist. Dass Polen infolge des Krieges auf lange Jahre hinaus sein Entwicklungspotenzial verloren hat.“

Der Text des Berichts ist – sowohl in seiner vollständigen, dreibändigen Version wie auch in Kurzform – online in deutscher und englischer Sprache zugänglich. In der Zwischenzeit haben ihn alle Bundesminister wie auch alle Mitglieder des Bundestages und Bundesrates erhalten. Darüber hinaus erweckt der Bericht internationale Aufmerksamkeit dank seiner soliden wissenschaftlichen Herangehensweise, die eine innovative Methodologie zur Berechnung der Verluste darstellt, welche von Verächtern des Völkerrechts verursacht worden sind. In dieser Hinsicht hat er universelle Bedeutung für diejenigen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, denen an einem auf Gerechtigkeit gegründeten Frieden gelegen ist. Und das gilt ebenso, wenn wir glaubwürdig sein wollen, in unserem gemeinsamen Streben danach, die russischen Verbrechen in der Ukraine zu verfolgen und vor Gericht zu bringen.

Sehr geehrte Festgemeinschaft, 

mit großem Ernst beobachtet man in Polen das Fortschreiten der Arbeiten an der Errichtung des Berliner Deutsch-Polnischen Hauses. Die neulich in dem Kanzleramt stattgefundene Pressekonferenz fand in den polnischen Medien ein breites Echo, auch die Kommentare von Leserinnen und Lesern waren zahlreich. Die lebhaften Reaktionen zeigen, dass wir in diesem besonderen Projekt einen Gradmesser der wahren Absichten der Bundesrepublik hinsichtlich der Erinnerungskultur sehen.

Aus polnischer Sicht zählt vor allem die symbolträchtige Geste der Ehrerbietung gegenüber den Opfern der deutschen Aggression und Besatzung. Deshalb erwarten wir, dass ein angemessen gekennzeichnetes und für alle zugängliches Mahnmal den Mittelpunkt des Deutsch-Polnischen Hauses bilden wird. Das entspricht sowohl dem politischen Willen der Ideengeber als auch dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom Herbst 2020. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den beiden ehemaligen Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Rita Süssmuth und Wolfgang Thierse, bei Florian Mausbach und dem Berliner Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama bedanken für ihr klares und konsequentes Bekenntnis zum ursprünglichen Wortlaut des Bundestagsbeschlusses und für ihr Beharren auf der Beibehaltung des Tempos der Umsetzungsarbeiten.

Erst im zweiten Schritt sollte von der Vermittlung geschichtlicher Kenntnisse, Begegnungen unter Jugendlichen und der Vorstellung unserer jahrhundertealten Nachbarschaft in einem breiteren Kontext die Rede sein. Mit anderen Worten: Das Mahnmal und die Erinnerung, welche das elementare Bedürfnis nach Respekt gegenüber allen polnischen Opfern des von Deutschland entfesselten Krieges befriedigen, sind vor allem anderen als zentrale Säulen des Deutsch-Polnischen Hauses zu verstehen. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird, kann von einer wahren Versöhnung, von Verständigung und auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhender Aufarbeitung der Vergangenheit kaum die Rede sein. Damit unsere Sensibilität in dieser Hinsicht berücksichtigt wird, wollen sich polnische Expertinnen und Experten, Partnerinnen und Partner gern einbringen – in erster Linie das Ministerium für Kultur und Nationales Erbe samt seinen Abteilungen, die über eine profunde Erfahrung auf dem Feld der Erinnerungskultur verfügen.

Dieser Aufgabe kommt eine besonders große Bedeutung zu, solange Zeitzeugen von damals noch unter uns weilen. Vielleicht lohnt sich daher der Gedanke an eine Beschleunigung der Arbeiten an dem Mahnmal selbst, damit es bereits nächstes Jahr, zum 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstandes – sei es auch in einer noch nicht endgültigen Form – in Berlin besichtigt werden kann?

Sehr geehrte Damen und Herren, 

sowohl in der Frage des Erinnerungs- und Begegnungsortes bzw. des Deutsch-Polnischen Hauses als auch in jener der Kriegsentschädigungen sind sich die polnische Politik und die polnische Öffentlichkeit einig. Dies sind universelle Angelegenheiten und keine Themen, die politisch polarisieren oder für Wahlkampfzwecke genutzt werden sollten. Aus diesem Grunde werden sie für die deutsch-polnischen Beziehungen auch nach den Parlamentswahlen im Oktober aktuell bleiben.

Erlauben Sie mir bitte einige kritische Bemerkungen in Bezug auf Fragen von höchstem Rang, die über die Zukunft unserer Partnerschaft entscheiden werden.

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Der deutsche Staat hat die Chance, stabile und gesunde Beziehungen zu Polen aufzubauen – doch nur auf Grundlage der geschichtlichen Wahrheit und einer gerechten Wiedergutmachung. Anderenfalls kann für die Bundesrepublik und ihre Staatsangehörigen keine aufrichtige Versöhnung mit dem polnischen Nachbarn erreicht werden. Fehlende Kriegsentschädigungen für Polen würden außerdem bedeuten, dass die Deutschen nicht endgültig mit ihrer Vergangenheit abgerechnet und das auf ihnen lastende Erbe des Dritten Reiches abgeworfen haben. In diesem Zusammenhang ist es verwunderlich, dass die Koalitionsregierung konkrete Maßnahmen für die Rückgabe von geraubten Kunstwerken und Eigentumswerten an ehemals kolonisierte Länder ergreift, aber die berechtigten Ansprüche seines nächsten Nachbarn ignoriert.

Indem ich das Wohl unserer Bevölkerungen und der künftigen Generationen auf deutscher und auf polnischer Seite im Blick habe, appelliere ich an Sie und bitte um eine veränderte, positivere Sicht auf die berechtigten Erwartungen Polens. Noch ist es nicht zu spät, sollten aber jegliche Signale eines guten Willens seitens der Bundesregierung ausbleiben, kann das zu einer fortschreitenden Verschlechterung unserer bilateralen Beziehungen führen, was nicht zuletzt auch der Einheit Europas abträglich sein wird. Polen wünscht das nicht und hofft, dass auch die Bundesrepublik nichts dergleichen wünscht.

Mein Appel lautet: Mögen an einem Tag wie dem heutigen, dem 84. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, unsere deutschen Partnerinnen und Partner überlegen, ob das Polen und seinen Staatsangehörigen zugefügte Leid auf welche Art und Weise auch immer wiedergutgemacht worden ist. Ob es moralisch berechtigt ist, wenn sich die deutsche Bundesregierung auf den Verzicht auf Entschädigungen aus Deutschland beruft, den Polen am 23. August 1953 erklärt haben soll. Ob das damalige, Polen aufgezwungene und de facto moskauhörige, stalinistisch-kommunistische Regime das Recht hatte, im Namen der Polinnen und Polen auf die Kriegsentschädigungen zu verzichten. Meine Antwort lautet: Nein!

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Das haben Menschen den Menschen angetan“ – und wenn dem so ist, dann steht es zweifelsohne auch Menschen frei, die Gerechtigkeit wieder walten zu lassen. Es steht den Tätern frei, sie gegenüber den Opfern walten zu lassen – in dem Fall: Es steht Deutschen gegenüber Polinnen und Polen frei. Die Geschichte bietet den Deutschen eine einzigartige Chance, ihre Worte von Schuldbekundung und Übernahme der moralischen Verantwortung zu konkretisieren: die von Polen und seinen Staatsangehörigen erlittenen gigantischen materiellen und immateriellen Verluste zu entschädigen. Es ist meine Überzeugung, dass die Bundesregierung und alle hierzulande lebenden, so zahlreichen gutwilligen Menschen diese Chance ergreifen werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

3.      Andere Feierlichkeiten

Ein Vertreter der Abteilung für konsularische und polnische Angelegenheiten besuchte den Parkfriedhof Marzahn und legte im Namen von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki einen Kranz am Grab von Błażej Stolarski (Landwirtschaftsminister, Anführer der Volksbewegung, stellvertretender Marschall des Senats der Zweiten Republik, von der Gestapo am 21.09.1939 erschossen) nieder. In dieser Grabanlage befinden sich auch die Grabsteine von mehreren jugendlichen polnischen Zwangsarbeitern.

Ein Vertreter der politischen Abteilung legte zusammen mit den Behörden des Berliner Bezirks Friedrichshain einen Blumenstrauß am Denkmal für den polnischen Soldaten und den deutschen Antifaschisten im Volkspark nieder.

 

Bilder (6)

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